Was wollt ihr mehr?

Allgäuer Zeitung 21.09.2022 - Kritik zur Premieren-Aufführung von "Was ihr wollt" der Kulturwerkstatt Kaufbeuren am 17.09.2022 - von Martin Frei

Im Club „Illyrien“ geht es rund, vor allem wenn Herzog Orsino (Sebastian Stöcker, vorne, rechts) höchstselbst zum Mikrofon greift. Foto: Harald Langer

Die Kulturwerkstatt bringt einen Shakespeare-Klassiker in Partylaune, ohne das große Ganze zu vergessen.
 
Kaufbeuren Das kann ja heiter werden! Zu Beginn der Kulturwerkstatt-Aufführung von William Shakespeares „Was ihr wollt“ stellt eine Stimme aus dem Off die Personen des Stücks und deren komplizierte (Liebes-)Beziehungen vor – und sorgt damit (wohl nicht nur) beim Premierenpublikum im ausverkauften Theater Schauburg für mehr Verwirrung denn Aufklärung. Doch als die von Thomas Garmatsch und Simone Dopfer zeitgemäß und doch mit großen Respekt vor dem Original gestaltete Inszenierung Fahrt aufnimmt, ist klar: Das wird heiter! Denn bei der Kulturwerkstatt kommt der Klassiker in Partylaune.

Illyrien, wo die schiffbrüchige Viola (souverän: Tamara Otparlik) strandet, um sich fortan als Mann Cesario verkleidet durchzuschlagen, ist bei der Kulturwerkstatt keine Insel, sondern ein Club, in dem die Untertanen des Herzogs Orsino (dramatisch: Sebastian Stöcker) ausgelassen abtanzen. Im „Illyrien“ also mit seinem Catwalk am vorderen Bühnenrand entwickelt, spinnt und entspinnt sich die verquere Liebesgeschichte zwischen Viola und Orsino, der eigentlich der Gräfin Olivia (wahrlich nobel: Clara Bauer) verfallen ist, die aber nichts von ihm wissen will, dafür für Cesario (also Viola) schwärmt. Dazu kommen noch Olivias durchtriebene Hofdame Maria (Hannah Rieger) und die lebenslustigen Rüpel-Ritter Sir Andrew (Emanuel Karg) und Sir Tobi (Hannah Kirchdorfer). Dass Violas totgeglaubter Zwillingsbruder Sebastian (Tim Häring) mit seinem Begleiter Antonio (Alex Gallwitz) auch noch im „Illyrien“ auftaucht, macht das Wirrwarr perfekt. Sogar Olivias biederer Verwalter Malvolio kommt in Liebeswallungen, und Darsteller Jannis Konrad macht ihn zu einem komödiantischen Glanzpunkt der Aufführung. Umgeben sind die Protagonisten von einem in jeder Beziehung bunten Partyvölkchen, in dem auch etliche Darstellerinnen und Darsteller mit Behinderung herrlich unbeschwert und doch durchaus tragend mitmischen.

Dabei schlägt die Inszenierung gekonnt gleich eine ganze Reihe von Brücken: Ernsthafte Club-Beats und Mallorca-Schlager, die hohen Verse Shakespeares und die heutige Jugendsprache, edle Dramatik und wohltuender Frohsinn wechseln sich oft innerhalb weniger Augenblicke ab. Das macht diesen Shakespeare zusammen mit der enormen Leistung der Darsteller kurzweilig und intensiv zugleich.

Am Ende gibt es natürlich das vom großen Dichter vorgesehene Happy End. Wobei man nach so viel Geschlechterdurcheinander fast ein bisschen enttäuscht ist, dass sich da zwei klassische Liebespaare in die Arme schließen. Trotzdem bietet dieses „Was ihr wollt“ alles, was man will, und erhielt vom Premierenpublikum höchst verdient tosenden Beifall.

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Allgäuer Zeitung 21.09.2022 - Kritik "Was ihr wollt" - "Was wollt ihr mehr"